Agrarpolitik: Einmal einfach, bitte!

02.09.2024 Unsere Landwirtschaft ist eine der nachhaltigsten der Welt, die Agrarpolitik aber hochkomplex. Am Schweizer Agrarpolitik Forum an der BFH-HAFL wurde die Vereinfachung diskutiert – diese sei überfällig, so Bundesrat Guy Parmelin im Grusswort.

Bundesrat Guy Parmelin kennt den Wunsch – selbstverständlich. Immer wieder werde dieser in Gesprächen mit Fachleuten und Branchen an ihn herangetragen, wie er in seinem Video-Grusswort am Schweizer Agrarpolitikforum ausführte: der Wunsch nach Abbau der Bürokratie, Vereinfachung bei der Verwaltung in der Landwirtschaft. Doch wie soll das komplexe System einfacher werden?

Das fragte auch das diesjährige Forum an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL unter dem Titel «Agrarpolitik 2030 – Wie gelingt die Vereinfachung?». «Sie widmen sich einem Kernthema der zukünftigen Agrarpolitik. Das ist gut so», richtete Bundesrat Parmelin sein Wort ans zahlreich erschienene Publikum an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL, das durch den Rektor der BFH, Sebastian Wörwag, begrüsst wurde. «Wir brauchen Ihre Ideen und Ihr Engagement in dieser Sache», so Guy Parmelin.
 

«Agrarpolitik 2030: Wie gelingt die Vereinfachung?» – Um diese Frage drehte sich das Agrarpolitik Forum 2024. (Foto: Reto Baula)
«Agrarpolitik 2030: Wie gelingt die Vereinfachung?» – Um diese Frage drehte sich das Agrarpolitik Forum 2024. (Foto: Reto Baula)

Pionier-Idee, die alles komplex machte

«Die grundlegendste Mission unserer Landwirte ist es, eine ernährungsorientierte Landwirtschaft sicherzustellen», sagte der Bundesrat. Es sei zentrales Ziel der Agrarpolitik, den «landwirtschaftlichen und lebensmittelwirtschaftlichen Sektor, sowohl produktiv als auch ökologisch, aufrechtzuerhalten». Die Schweizer Landwirtschaft sei eine der nachhaltigsten der Welt, entstanden auch durch die Einführung eines ökologischen Leistungsnachweises und die damit verbundenen Direktzahlungen für Leistungen der Bauernbetriebe vor 30 Jahren. Eine Pionierleistung, aber exakt diese machte Vieles mit der Zeit immer komplizierter, die Bäuerinnen und Bauern ächzen ob der zunehmenden Administration. Eine Vereinfachung sei unumgänglich, so Guy Parmelin; er stellte in Aussicht, dass der Bundesrat «bereits im Herbst im Rahmen des Verordnungspakets 2024 eine weitere Reihe von Massnahmen ankündigen wird».

Die Herkulesaufgabe

Auch BLW-Direktor Christian Hofer ist bestens vertraut mit dem Dauerbrenner-Thema: Seit 25 Jahren versuche man zu vereinfachen, was vor 30 Jahren begonnen habe. Führt ein Schritt Richtung Entwirrung, macht der nächste wieder alles verzwickter. Die Vereinfachung ist gemäss Hofer eine «Herkulesaufgabe». Sie ist aber so wichtig ist, dass sie Grundzug der Agrarpolitik 30+ ist: Man will die Komplexität in der Agrarpolitik zu reduzieren, um die nachhaltige Wertschöpfung zu stärken – dies neben den Schwerpunkten Ernährungssicherheit, ökologischer Fussabdruck, wirtschaftliche und soziale Perspektiven.

Für mehr Vereinfachung plant man, «die Selbstverantwortung der Branche zu stärken, das Direktzahlungssystem zu vereinfachen und die Digitalisierung zu nutzen», so Hofer. Er sieht verständliche und gut umsetzbare Regeln als ein Lösungsweg an; so wird etwa das Kontrollsystem risikobasierter ausgestaltet. Ändere man auch nicht jedes Jahr die Direktzahlungsverordnung könne beispielweise Stabilität geschaffen werden, diese würde von Bäuerinnen und Bauern gemäss Interviews gewünscht. Beim Direktzahlungssystem bergen die Digitalisierung oder Einmalzahlungen (statt jährliche) Potenzial und auch mehr Selbstverantwortung, die den Landwirtinnen und Landwirten frei lässt, wie sie die Ziele erreichen wollen.

Design Thinking als innovativer Ansatz

Auch Innovation kann beim Vereinfachen helfen, wie Veronika Schiftner vom «The Innovation in Politics Institute» in ihrem Input an Beispielen aus Europa zeigte, etwa bei der Neugestaltung öffentlicher Krankenhäuser in Dänemark. Der Ansatz, mit dem ihr Institut – und viele andere Organisationsentwicklerinnen, auch an der BFH-HAFL– tragende Lösungen findet, heisst Design Thinking und setzt auf Nutzerzentrierung. Das heisst: Sie stellt den Menschen und seine Bedürfnisse ins Zentrum, für welche in einem iterativen Vorgehen Lösungen gesucht werden. Iterativ bedeutet, dass mögliche Lösungen laufend getestet werden, und man bei Bedarf einen Schritt zurück geht. Ein interdisziplinäres Team sorgt dafür, dass möglichst alle Perspektiven berücksichtigt werden, also auch die Betroffenen. «Durch den gemeinsamen Prozess ist die Akzeptanz der Lösungen erstaunlich hoch», so Veronika Schiftner.

Mit welchem Ansatz auch immer: Für die Schweizer Agrarpolitik sind gute Ideen gefragt. BLW-Direktor Christian Hofer macht Mut: «Vielleicht schaffen wir wieder einen visionären Wurf, mit Vorbildcharakter für andere Länder.»

Blick auf Europa und Workshops

Am SAF 2024 blickten auch Franziska Kuratli, bald diplomierte Agronomin der BFH-HAFL und Peter Moser, Leiter des Archivs für Agrargeschichte, auf die Geschichte der Agrarpolitik, moderiert durch Organisator und Dozent Agrarpolitik und -märkte an der BFH-HAFL, Hansjürg Jäger. Der zweite Tag des Forums stand im Zeichen eines Blicks über den Tellerrand – ist in der EU-Agrarpolitik eine Vereinfachung möglich? Wie geht Neuseeland mit diesen Herausforderungen um, und das Südtirol? In vier Workshops konnte der daraus entstandene Diskussionsbedarf gedeckt werden. So etwa zum Thema «Kann der Übergang von der Agrar- zur Ernährungspolitik zur Vereinfachung genutzt werden?». Moderatorin Phatima Mamardashvili von der BFH-HAFL legte den Fokus dabei vor allem auf die Erweiterung des Spielraumes (ganzes Ernährungssystem) und damit verbundene Gefahren sowie Möglichkeiten.

Den Abschluss machten – fast schon eine Tradition – der Fachbereichsleiter Agronomie der BFH-HAFL Peter Spring zusammen mit Mägi Brändle, die den Teilnehmenden einen visuellen Überblick über das Agrarpolitik Forum ermöglichte.

BFH-HAFL, Inforama und Alumni BFH

Das Schweizer Agrarpolitik Forum wird seit 2018 von der BFH-HAFL, dem Inforama und den BFH-HAFL-Alumni ausgerichtet. Die Diskussionsplattform für einen konstruktiven Dialog zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik sorgt für Generationenübergreifenden Austausch und fördert das pragmatische Vorgehen.

Übrigens: Das Schweizer Agrarpolitik Forum 2025 findet am 28. und 29. August 2025 statt. Jetzt den Termin reservieren!

Grussbotschaft von Guy Parmelin

Stimmen zum Agrarpolitik Forum 2024

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Autorin

Fachgebiet: Agronomie + Wald
Rubrik: Konferenz