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Swiss Center for Design and Health: «Mehrwert liegt in deutlich verbesserter Qualität der gebauten Umwelt»
18.09.2024 Kosten sparen, Prozesse optimieren, gesünder leben und arbeiten: Das bietet das Swiss Center for Design and Health (SCDH). Wie es das erreicht und welcher Rolle dabei die BFH spielt, erklärt Minou Afzali.
Das Wichtigste in Kürze
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Aus einer interdisziplinären Forschungsgruppe der BFH ging das Swiss Center für Design and Health (SCDH) hervor.
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Das SCDH untersucht den Einfluss von Design und Architektur auf die Gesundheit.
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Ein Ziel des SCDH ist es, Neu- und Umbauten von Krankenhäusern zu verbessern.
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Dafür nutzt das SCDH sein Living Lab, wo es geplante Räume in Originalgrösse aufbaut und verschiedene Szenarien durchspielt, um zu testen, ob die Räume praxistauglich sind.
Frau Afzali, das Swiss Center for Design and Health (SCDH) ist ein bedeutendes, international einzigartiges Zentrum an der Schnittstelle von Design und Gesundheit. Wie ist dieses entstanden?
Das SCDH ist aus einer interdisziplinären Forschungsgruppe der Berner Fachhochschule (BFH) hervorgegangen. 2007 haben wir begonnen, Fragestellungen im Gesundheitsbereich aus den Perspektiven von Design und Pflege zu untersuchen.
Die Gruppe wuchs schnell, und wir realisierten eine zunehmende Anzahl von Forschungsprojekten sowie an Anfragen aus der Praxis für Kollaborationen. 2018 wurde dann die Idee für ein nationales Kompetenzzentrum im Bereich Design und Gesundheit geboren, gefördert vom Bund und vom Kanton Bern.
Über Dr. Minou Afzali
Minou Afzali ist studierte Produktdesignerin, promovierte am Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern und forschte und lehrte an der Hochschule der Künste Bern als Professorin für Social Design im Bereich Design und Gesundheit.
Die Passion für interdisziplinäre Designforschung im Gesundheitswesen leitet auch ihre Arbeit als Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung am SCDH und im Scientific Board.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit scheint ein zentrales Element Ihrer Arbeit zu sein. In der Realität ist ein solches Vorgehen aber mit vielen Hürden verbunden. Wie geht das SCDH hier vor?
Ein herausragendes Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit dem Spital Bülach. Dort wurden wir gebeten, die Pläne für ein neues Ambulatorium und einen Spitalneubau zu evaluieren.
In unserem Living Lab projizieren wir die Grundrisse der geplanten Räume in Originalgrösse und bauen sie dreidimensional auf. Gemeinsam mit Architekt*innen, medizinischem und Pflegepersonal sowie weiteren Fachleuten spielen wir dort verschiedene Szenarien durch, um die Praxistauglichkeit der Entwürfe zu testen.
Wie genau läuft so eine Simulation ab?
Zunächst entwickeln wir zusammen mit den Praxispartner*innen ein Drehbuch, das typische Abläufe in den Räumen beschreibt, wie zum Beispiel den Weg einer/s Patient*in von der Anmeldung bis in den OP. Diese Szenarien spielen wir dann in unseren nachgebauten Räumen durch.
Dabei übernehmen alle Beteiligten, von Chirurg:innen bis zur Pflegefachkraft, ihre Rollen. Während dieser Simulationen beobachten wir anhand vordefinierter Kriterien den gesamten Prozess, notieren Schwierigkeiten und sammeln Feedback. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass die Teilnehmenden laut denken müssen. Dadurch verstehen wir besser, wo es Herausforderungen gibt.
Das klingt zwar spannend, aber was bedeutet das konkret für die Planung? Welchen Mehrwert generieren Sie dadurch?
Dazu ein kurzes Beispiel aus der Praxis: Unsere Simulationen verdeutlichten, dass die Sichtbarkeit der Einwaschzone im OP-Bereich optimiert werden musste.
Ursprünglich war das Waschbecken für die Chirurg*innen ausserhalb des Sichtfeldes des OP-Teams hinter einer Wand platziert. In der Simulation stellte sich jedoch heraus, dass es hilfreich wäre, wenn das Team die Chirurg*innen sehen könnte, während diese sich auf den Eingriff vorbereiten – als nonverbales Signal, dass der Eingriff gleich beginnt. Diese Rückmeldung floss direkt in die Anpassung der Pläne ein.
Das zeigt, wie wichtig die frühe Einbindung von Nutzenden ist. Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Auftraggebenden?
Der Mehrwert liegt in der deutlich verbesserten Qualität der gebauten Umwelt. Indem wir Nutzende – also Ärzt*innen, Pflegekräfte und andere Fachleute – frühzeitig in den Planungsprozess einbinden, können wir sicherstellen, dass die Gebäude und Räume ihren Bedürfnissen optimal entsprechen.
Das reduziert langfristig Kosten, weil teure Nachbesserungen vermieden werden. Gleichzeitig werden die Sicherheit und Zufriedenheit von Patient*innen und Personal erhöht.
Neben Krankenhäusern widmen Sie sich auch zukunftsorientierten Themen wie «Remote Care». Was kann man sich darunter vorstellen?
Remote Care ist ein sehr spannendes Feld, das in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. In einem unserer Symposien sind wir der Frage nachgegangen, wie Telemedizin und die damit verbundene Technologie die Gesundheitsversorgung verändern können.
In unseren Simulationen haben wir untersucht, wie sich die Raumgestaltung auf die Interaktion zwischen Patient*innen und Ärzt*innen auswirkt, wenn diese nicht physisch anwesend sind, sondern nur über Bildschirme zugeschaltet werden.
Solche Experimente helfen uns, die Herausforderungen und Möglichkeiten neuer Versorgungsmodelle besser zu verstehen und Lösungen zu entwickeln, die in der Praxis funktionieren.
Das SCDH möchte also nicht nur den Status quo verbessern, sondern auch aktiv die Zukunft der Gesundheitsversorgung mitgestalten. Was sind Ihre langfristigen Ziele?
Unser Ziel ist es, den Einfluss von Design und Architektur auf die Gesundheit weiter zu erforschen und einen Beitrag zur Verbesserung von Neu- und Umbauten zu leisten. Dies kann mit Forschungspartner*innen aus den Hochschulen aber auch in der Zusammenarbeit mit Praxispartnern im Rahmen von Auftragsarbeiten erfolgen.
Unsere Expertise möchten wir auch auf andere Bereiche ausdehnen. Wir möchten beispielsweise in die Gestaltung gesunder Arbeitsplätze und Schulen investieren. Dadurch werden Umgebungen geschaffen, die das Wohlbefinden fördern. Ein weiterer Fokus liegt auf der Entwicklung von neuen Technologien und Prozessen, die eine patientenorientierte Versorgung ermöglichen – sowohl in Spitälern als auch im häuslichen Umfeld.