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Laufzeit verlängern oder neu ausschreiben?

14.02.2025 In der IT sind bei Beschaffungen verlängerte Laufzeiten an der Tagesordnung. Auch freihändige Folgeaufträge sind keine Seltenheit. Wann sollte man sich an eine Neuausschreibung wagen?

Die folgende Situation dürfte den meisten von Ihnen bekannt vorkommen: Wir nutzen eine Software, und diese Software wird von einem Partner betrieben, den wir schon lange kennen. Der Servicemitarbeiter ist freundlich, seine Handynummer klebt auf einem Post-It an unserem Bildschirmrand. Funktioniert etwas nicht, genügt ein Anruf, man plaudert kurz über die letzten Ferien und das Problem ist bald behoben.

Die Software tut seit Jahren ihren Dienst. Und trotzdem wird er kommen, der Tag X: Wir werden sie neu ausschreiben müssen. Der Servicemitarbeiter und das Post-It werden womöglich verschwinden. Gemäss Art 15 Abs. 4 BöB/IVöB darf die Laufzeit einer Beschaffung in der Regel fünf Jahre nicht überschreiten. Freihändige Folgeaufträge sind in Ausnahmefällen auch möglich, müssen aber begründetet sein (Art. 21 Abs. 2 lit. e BöB/IVöB).

Neuausschreibungen bedeuten Aufwand

Gerade bei IT-Produkten werden Laufzeiten häufig auf über fünf Jahre verlängert. Und das aus gutem Grund: eine Software kann je nach Architektur und Lizenzmodell nicht einfach von einer neuen Partnerin weiterbetrieben werden. Sie muss von Grund auf neu entwickelt werden. Das bedeutet Aufwand und Veränderung. Kein Wunder, wird eine Neuausschreibung von den meisten Verwaltungen als notwendiges und bisweilen sinnloses Übel empfunden, das unnötig Aufwand generiert und keinen Nutzen bringt. Auch Anwender*innen stehen der Neuentwicklung eines funktionierenden Systems meist ablehnend gegenüber.

Es stimmt: Neuausschreibungen sind immer ein Mehraufwand. Der Datentransfer und die Systemumstellung sind immer umständlich. Nachdem ein Produkt aufwändig entwickelt wurde, ist es nur sinnvoll, es eine Weile lang auch einfach zu betreiben. Genauso hilfreich ist es, gewisse Funktionen mit der bestehenden Partnerin zusammen weiterzuentwickeln, um das Produkt nach den ersten Erfahrungen zu optimieren.

Wer bei der Erstvergabe vorausdenkt, kann freihändige Folgeaufträge vermeiden.

  • Stefanie Pfändler Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Längere Laufzeiten – aber elegant!

Genau darum ist es durchaus zweckmässig – und keineswegs gegen den Willen des Gesetzgebers – eine Laufzeit in gewissen Fällen zu verlängern. Unschön ist es allerdings, wenn Folgeaufträge freihändig vergeben werden, womöglich sogar mehrfach. Solche «Ausnahmefreihänder» müssen publiziert werden – und sind nicht selten Gegenstand von Rekursen.

Doch es geht auch eleganter: Wer bei der Erstvergabe vorausdenkt, kann freihändige Folgeaufträge vermeiden, indem er die späteren Weiterentwicklungsschritte bereits bei der Erstvergabe vorsieht: es ist transparent und korrekt, einen Auftrag von Anfang an inklusive Verlängerung zu vergeben – und ins Vergabevolumen ein genügend grosses Reservevolumen einzuberechnen, um spätere (womöglich noch unbekannte) Weiterentwicklungen zu ermöglichen. Diese Reserven können dann tranchenweise freigegeben werden.

Ewige Aufträge bringen auch Nachteile

Und doch: auch eine verlängerte Laufzeit läuft irgendwann ab. Folgeaufträge dürfen das Volumen des Erstauftrags nicht überschreiten – und stossen dadurch immer irgendwann an eine gläserne Decke.1

Ewig dauernde Aufträge können für die Auftraggeberin zudem auch Nachteile bringen. Ein Produkt, dass über die Jahre laufend gewachsen ist, ist oft aufwändig und teuer im Betrieb. Für Zusatzwünsche und jede kleine Abklärung müssen oft Nachträge bezahlt werden, weil die Erstentwicklerin auf diese Zustüpfe angewiesen ist. Gerade eine Software ist oft aus Schritt für Schritt ergänzten Bausteinen zusammengebaut und deshalb mit der Zeit immer weniger effizient.

Wenn Sie ein Produkt neu ausschreiben, wissen Sie in der Regel ziemlich genau, was Sie brauchen. Dadurch können Sie viel präziser ausschreiben, als bei der Erstausschreibung.

  • Stefanie Pfändler Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Bessere Konditionen dank Wettbewerb

Eine Neuausschreibung kann ein Projekt deshalb auf eine neue, solide Basis stellen und alle Kinderkrankheiten auskurieren, die in den Betriebsjahren aufgetaucht sind. Wenn Sie ein Produkt neu ausschreiben, wissen Sie in der Regel ziemlich genau, was Sie brauchen. Sie konnten mit dem Erstprojekt Erfahrungen sammeln und kennen Prozesse und Anforderungen sehr genau. Dadurch können Sie viel präziser ausschreiben, als damals bei der Erstausschreibung. Mit einer Neuausschreibung beginnen Sie darum zwar wieder von vorne – aber eben nicht am Punkt Null.

All diese Faktoren führen aufseiten der Anbieter zu effizienteren Offerten. Erfahrene Anbieterinnen bestätigen, dass dank einer Neuausschreibung nicht nur Projekte grundlegend verbessert werden können, sondern dass sie auch finanziell lohnenswert sein können: Weil neue Partnerinnen effizienter anbieten können, erhält man deutlich attraktivere Preise. Die Erschliessung neuer Schnittstellen, der Einbau neuer Funktionen und das Umsetzen komplexer Weiterentwicklungsschritte ist so meist günstiger möglich, als mittels Folgeaufträgen.

Oder anders gesagt: Dank einer Neuausschreibung lässt man wieder den Markt spielen – und kann dadurch die Preise mitunter markant nach unten korrigieren. Indem der Wettbewerb zwischen den Anbieter*innen aktiviert wird, wird nicht nur Innovation, sondern auch eine laufende Optimierung bestehender Lösungen gefördert. Darum: Ja, eine Neuausschreibung bedeutet immer Aufwand und der Datentransfer ist immer umständlich. Trotzdem lohnt es sich, sie nicht als notwendiges Übel sondern als Chance zu begreifen.

Referenzen

1 Auch wenn das nicht im Gesetz selbst steht, so sieht es die Botschaft des Bundesrats für das BöB und analog auch für das IVöB vor (Botschaft BöB, 1928).

Wann sind freihändige Folgeaufträge zulässig?

Seit der Vergaberechtsreform von 2019 sind freihändige Folgeaufträge alleine gestützt auf einen Vorbehalt in der Ausschreibung nicht mehr möglich. 

Gemäss Art. 21 Abs. 2 lit. e BöB/IVöB) sind freihändige Folgeaufträge nur dann zulässig, wenn ein Anbieterwechsel unmöglich, sehr schwierig oder unverhältnismässig teuer wäre. Damit sind Beschaffungsbehörden zwar generell begründungspflichtig, haben aber einen Ermessensspielraum. 

Gerade im IT-Sektor treffen diese Kriterien häufig zu. Allerdings gilt es dabei zu beachten, dass Art. 21 als Ausnahmetatbestand restriktiv gehandhabt werden muss. Zudem ist ein Folgeauftrag nur möglich, wenn der Ursprungsauftrag vergaberechtskonform erteilt wurde, also eine korrekte Erstausschreibung stattgefunden hat. Und zu guter Letzt darf der aufsummierte Wert aller Folgeaufträge nie höher sein als der Wert des Grundauftrag.

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Fachgebiet: Public Sector Transformation