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Neue Ansätze zur Förderung der Gleichstellung in der Praxis
14.03.2025 Das öffentliche Beschaffungswesen kann ein Hebel sein, um die Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes aktiv zu unterstützen und voranzutreiben. Wie lässt sich zum Beispiel die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern über die Selbstdeklaration hinaus prüfen?
Das Gleichstellungsgesetz zielt darauf ab, die Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben zu fördern und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts in Bereichen wie Lohn, Anstellung, Beförderung und Entlassung zu verhindern. Das öffentliche Beschaffungswesen kann einen bedeutenden Beitrag zur Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes leisten:
Art. 12 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) verlangt, dass bei Leistungen im Inland die schweizerischen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden.1 Darunter fällt auch die Lohngleichheit. Deren Einhaltung können die Beschaffungsstellen nach Art. 12 Abs. 5 überprüfen.
Wichtiges Thema Lohngleichheit
Seit 40 Jahren besteht der verfassungsmässige Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Trotzdem verdienen Frauen weiterhin durchschnittlich 19 Prozent weniger als Männer. Von diesen 19 Prozent lassen sich 45,4 Prozent nicht erklären.
Seit der Einführung der Charta der Lohngleichheit haben sich 17 Kantone, 115 Gemeinden, 111 staatsnahe Betriebe sowie der Bund zur Verwirklichung der Lohngleichheit verpflichtet.2 Zunehmend überprüfen Stellen wie das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) oder kantonale Gleichstellungsbüros die Lohngleichheit aktiv.
Wenn ein Unternehmen die Kontrolle nicht besteht, entscheidet die zuständige Behörde über geeignete Sanktionen – diese reichen vom Widerruf des Zuschlags bis zum Ausschluss von künftigen Verfahren.
Verstärkte Kontrollen sind möglich
In der Vergabepraxis sind die Kontrollen der Lohngleichheit bislang oft auf Selbstdeklarationen beschränkt. Doch zunehmend versuchen viele Beschaffungsstellen, diese Verpflichtungen durch verstärkte Kontrollen umzusetzen.
Für eine verlässlichere Kontrolle können Beschaffungsstellen Nachweise verlangen, die über die Selbstdeklaration hinausgehen. Dies kann in einem mehrstufigen Verfahren umgesetzt werden, wie es beispielsweise in der Stadt und dem Kanton Bern praktiziert wird:
Zunächst müssen die Anbieterinnen wie bisher eine Selbstdeklaration zur Lohngleichheit einreichen, um am Wettbewerb teilnehmen zu können. Ab einer Unternehemsgrösse von 100 Mitarbeitenden muss beim Kanton Bern eine Lohnanalyse einer unabhängigen Prüfstelle eingereicht werden.
Bei der Stadt Bern wird die Zuschlagsempfängerin einer vertieften Prüfung unterzogen. Dazu muss die Zuschlagsempfängerin spätestens nach dem Zuschlag eine Lohngleichheitsanalyse einreichen. Diese kann entweder in Form eines Berichts einer unabhängigen Stelle – z.B. einer Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann – eingereicht werden. Oder sie kann eigenständig mittels Logib3 durchgeführt werden, eines kostenlosen Online-Tools des Bundes, das Unternehmen bei der Analyse und Erkennung von Lohndiskriminierung unterstützt.
Digitale Lösungen sind verfügbar
Eine Überprüfung durch Logib hat mehrere Vorteile: Sie ermöglicht eine objektive Überprüfung von Lohnunterschieden, die nicht durch Kriterien wie Berufserfahrung, Ausbildung oder Arbeitszeit erklärt werden können. Dazu müssen die Unternehmen anonymisierte Daten der Mitarbeitenden wie Geschlecht, Beruf, Alter, Arbeitszeit und Lohn in das System eingeben. Das Tool analysiert diese Daten und zeigt auf, ob und in welchem Ausmass eine geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung vorliegt. Falls Ungleichbehandlungen festgestellt werden, liefert Logib Handlungsempfehlungen um diese zu korrigieren. Dies können zum Beispiel Anpassung der Lohnstrukturen sein.
Solche Kontrollen werden in der Stadt und im Kanton Bern auch während der Vertragslaufzeit durchgeführt. Diese erfolgen stichprobenweise oder risikobasiert. Das funktioniert so: Die kantonale Fachstelle für Gleichstellung wählt jedes Jahr nach dem Zufallsprinzip Unternehmen aus, die bei öffentlichen Ausschreibungen den Zuschlag erhalten haben. Diese Unternehmen fordert sie jeweils auf, eine kostenlose Logib-Analyse durchzuführen und diese einzureichen.
Wenn ein Unternehmen die Kontrolle nicht besteht, entscheidet die zuständige Behörde über geeignete Sanktionen – diese reichen vom Widerruf des Zuschlags bis zum Ausschluss von künftigen Verfahren.
Neben der Lohngleichheit können auch Aspekte wie die berufliche Förderung von Frauen sowie Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch gezielte Vergabekriterien berücksichtigt werden.
Chancengleichheit durch Zuschlagskriterien fördern
Die Geschlechtergleichstellung umfasst weit mehr als nur die Lohngleichheit. Ein Blick ins Ausland zeigt, wie die Chancengleichheit im Beschaffungswesen weiter gefördert werden kann. Neben der Lohngleichheit können beispielsweise auch Aspekte wie die berufliche Förderung von Frauen sowie Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch gezielte Vergabekriterien berücksichtigt werden.
In Spanien, Schweden oder der Stadt Wien werden bereits entsprechende Zuschlagskritieren eingesetzt. Sie regen Unternehmen dazu an, nicht nur ihre Lohnstrukturen zu überdenken, sondern auch die Arbeitsbedingungen und Karrierechancen für Frauen zu verbessern. Dazu gehören auch Massnahmen wie Elternzeit für Männer.
Auch hierzulande könnten durch die Einführung von Gleichstellungskriterien Anreize geschaffen werden, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen oder ihren Anteil in traditionell männerdominierten Branchen zu erhöhen. Auf diese Weise kann das Beschaffungswesen einen aktiven Beitrag zur Chancengleichheit und der Gleichstellung von Frauen und Männern leisten.
Referenzen
1 https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2020/126/de#art_12
2 https://www.ebg.admin.ch/de/charta-der-lohngleichheit-im-offentlichen-sektor
Unsere Empfehlungen für Beschaffungsstellen
1. Überprüfung der Lohngleichheit vornehmen
Fordern Sie bei Unternehmen mehr als nur Selbstdeklarationen ein: Unterziehen Sie die Zuschlagsempfänger*innen regelmässigen Lohngleichheitskontrollen durch externe Stellen oder mittels des kostenlosen Tools Logib.
2. Sanktionen bei Nichteinhaltung durchsetzen
Falls Unternehmen die Lohngleichheitskontrollen nicht bestehen, sollten Sie klare Sanktionen wie den Widerruf von Zuschlägen oder den Ausschluss von zukünftigen Vergabeverfahren verhängen.
3. Weitergehende Gleichstellungskriterien prüfen
Formulieren Sie Zuschlagskriterien, die neben der Lohngleichheit auch Massnahmen zur beruflichen Förderung von Frauen, zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen und männerdominierten Branchen vorsehen.