Zirkuläres Bauen beginnt in der ersten Planungsphase

03.01.2025 In der voll besetzten Aula der Berner Fachhochschule BFH in Biel drehten sich am 27. Februar 2025 alle Gespräche um ein Thema: das zirkuläre Bauen. Die Tagung be-leuchtete die wichtigsten Aspekte, die für das Umdenken und Umsetzen eine Rolle spielen. Die Referate erstreckten sich von den gesetzlichen Rahmenbedingungen über die Aufgabe der Investor*innen und Architekt*innen bis hin zur praktischen Umsetzung auf der Baustelle.

Das Wichtigste in Kürze

  • Zirkuläres Bauen im Fokus: Ziel ist es, Materialien im Kreislauf zu halten und Gebäude so zu planen, dass sie wiederverwendet werden können.

  • Frühzeitige Planung und Zusammenarbeit: Wichtig ist die Integration zirkulärer Prinzipien von Anfang an, unter Einbeziehung aller Beteiligten.

  • Herausforderungen und Lösungen: Es wurden konkrete Beispiele und Hilfsmittel vorgestellt, um zirkuläres Bauen zu erleichtern.

Rund 190 Fachleute besuchten die Tagung zum Thema «Zirkuläres Bauen - Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft» in Biel. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Alle Beiträge wurden simultan in Deutsch und Französisch übersetzt und online übertragen.

Fachleute aus allen Bereichen der Baubranche im Austausch

Die Baubranche sucht neue Wege zur Ressourcenschonung, Emissionsreduzierung und zur ganzheitlich nachhaltigen Gestaltung von Bauprojekten. Im Fokus steht ein grundlegender Perspektivenwechsel: Weg von linearen Prozessen, hin zu neuen Planungsgrundsätzen. Ziel ist es, Materialien im Kreislauf zu halten und Gebäude so zu planen, dass ihre Materialien lange funktionstüchtig bleiben und später wiederverwendet werden können. Mit der Tagung vom 27. Februar boten 13 Referate und 2 Podiumsgespräche einen gebündelten Einblick in die Arbeit von der Gesetzgebung bis zum konkreten Einsatz auf der Baustelle. Gefragt waren Erfahrungen, Lösungsansätze und konkrete Beispiele.

Das Teilnehmerfeld deckte Berufsleute aus der ganzen Baubranche ab. Gut vertreten waren die Projektbeteiligten der frühen Planungsphasen wie Behörden, Investorenfirmen, Bauherrschaften, Verbände, Nachhaltigkeitsverantwortliche sowie Architekt*innen und Fachplanende. Wichtige Gäste waren zudem Vertreter*innen der Industrie.

Tagung Zirkuläre Bauwirtschaft: Den Weg zur nachhaltigen Bauwirtschaft

Im Jahr 2024 fand zum ersten Mal die Fachtagung Zirkuläres Bauen mit dem Schwerpunkt Infrastruktur statt. Am 27. Februar 2025 stand die Veranstaltung erstmals im Zeichen des Hochbaus. In den kommenden Jahren wird der Fokus abwechselnd auf Infrastruktur und Hochbau liegen. Die Tagung greift zentrale Themen der Kreislaufwirtschaft auf und fördert den Austausch über praxisorientierte Lösungen und die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen im Bausektor. Expert*innen aus der gesamten Baubranche teilen ihre neuesten Erkenntnisse und gewähren wertvolle Einblicke in erfolgreiche Umsetzungsstrategien. Sie bietet eine erstklassige Plattform für den Austausch innovativer Ideen und trägt damit aktiv zur Weiterentwicklung einer nachhaltigen Bauwirtschaft bei. Eine kleine Fachausstellung rundet das Programm ab. Die Tagung findet jährlich Ende Februar statt und richtet sich an Fachleute, die die Bauwirtschaft von morgen aktiv mitgestalten wollen.

Weitere Informationen

Tagung zirkuläre Bauwirtschaft | BFH

«Alle müssen profitieren können, von der Bauherrschaft bis zu den Waldbesitzern.»

  • Paul Steffen Stv. Direktor vom Bundesamt für Umwelt BAFU

Vom Denken zum Handeln

Urs-Thomas Gerber von der Berner Fachhochschule eröffnete die Tagung mit den Worten: «Wir müssen in Kreisläufen denken.» Das Ziel sei eine wirtschaftliche und effiziente Schonung der natürlichen Ressourcen, setzte Paul Steffen, stellvertretener Direktor vom Bundesamt für Umwelt BAFU fort. Mehr Schweizer Holz verwenden sei ein Beitrag und er ergänzt: Das BAFU sei sich der Herausforderungen in den ersten Verarbeitungsstufen bewusst und es werde diese mit den Kantonen angehen. Damit waren die Waldbesitzer und Sägereien im Visier. Er verwies auf die «Integrale Wald- und Holzstrategie 2050». «Alle müssen profitieren können, von der Bauherrschaft bis zu den Waldbesitzern.», sagte Steffen.

Die Bauwirtschaft ist unterwegs, die Signale gesetzt

Nachfolgend sagten zwei Referentinnen, dass kreislaufgerechtes Bauen früh angedacht werden muss, denn dieser Entscheid habe essenzielle Auswirkungen auf das Projekt. Lorenz Held, Amtsvorsteher des AGG, Kt. Bern wies dabei auf die Bedeutung der Systemtrennung hin. Cristina Schaffner, Direktorin Dachverband Bauen Schweiz, formulierte, dass die Komplexität heruntergebrochen werden muss, damit die Ziele einfach zu fassen sind. Nur so könnten die Akteure diese umsetzen. «Wir können nicht früh genug mit der Aufklärung beginnen, vielleicht schon in der Schule?», fragte sie. Die Bauwirtschaft habe erste Schritte getan und sei unterwegs Richtung Zirkularität. Die Signale, die Materialien im Kreislauf zu halten, seien klar. Doch diese Signale müssten stabil bleiben – für die Besteller und die Ersteller. Stabilität sei wichtig, damit Firmen und Bauherrschaften weiter in die Bauwirtschaft investieren.

Die Immobilienfirmen holten das Publikum auf den Boden der Realität: Die Swiss Prime Site Immobilien AG als Auftraggeberin definiere ihren Planenden ein «Korsett», die Zertifizierungen, und kombiniere sie mit dem Aufruf: «Denkt mit! Zirkuläres Bauen hat ein Einfluss auf das Produkt.» Lösungen sollen schon in den frühen SIA-Phasen angedacht werden. Mit Beispielen zweier Umnutzungsprojekte von Büros zu Wohnungen sagte die Rednerin: weniger Geld zwinge die Planer zu mehr Denkarbeit, die Folge seien bessere Lösungen und weniger Dekoration. Der Glasanteil zum Beispiel soll bewusst dimensioniert werden. Das Zitat: «Fenster sind wie Zucker und Salz, es dürfen nicht zu wenig und nicht zu viel sein», erweckte die Aufmerksamkeit des Publikums.

Die Immobilienentwicklerin Allreal setzt auf die Messgrösse CO2 für ihre Gebäude. Der Leiter Nachhaltigkeit David Guthörl sagte: «Die Zahl 6kg CO2/EBFa hat uns gefordert und enorm vorangebracht.

Der Verein Ecobau präsentierte wertvolle Arbeitsmittel und Checklisten, die kostenlos auf der Website zu finden sind. Als Beispiel wird der Leitfaden Potenzialanalysen erwähnt, in dem 22 Vorgaben der Kreislaufwirtschaft zur Auswahl stehen. Mit dem Standard «eco» werden Bauteile und Baumaterialien u.a. auf ihre Kreislauffähigkeit hin untersucht (Potenzialanalyse).

Das Potenzial von Holz

Am Nachmittag stand das Holz im Fokus. Thema war etwa die Beschaffung und wie weit der Begriff «regionales Holz» greift. Gleichzeitig heisst es Ressourcen sparen und Qualität steigern – dies ist das übergeordnete Ziel der Koordination der Bau- und Liegenschaftsorgane des Bundes (KBOB), der Vereinigung der öffentlichen Bauherren der Schweiz. Bei einem Wettbewerb könnte man die Beurteilungskriterien für die Jury einbringen, schlug der Referent vor und verwies auf Beratungen, die für die Ausschreibung oder die Beurteilung eines Projekts angeboten werden.

Das Thema Rückbau mit Holz griff der Ingenieur aus dem Büro Pirmin Jung Schweiz auf: Dieser hängt von der Komplexität der Konstruktion ab. Der Neubau hat grosses Potenzial, da der Holzbau eine grosse Vielfalt von starren und beweglichen Verbindungen anbietet. Die CNC-Maschinen können als Vorbereitung für Holz-Holz-Verbindungen beliebige Fräsungen einschneiden, die auf dem Bau einfach verbunden werden und am Ende der Lebensdauer mit einem Frässchnitt wieder zerlegt werden können.

Baumaterialien im Kreislauf zu halten ist mit erhöhtem Planungsaufwand verbunden. Die Architekturbüros sind bei Ersatzneubauten gefordert. Die Massivbauten oder Bestände mit filigranen Stahlstützen sind für die Transformation eine Herkulesaufgabe. GWJ Architektur zum Beispiel hat sich ihrer angenommen und berichtete von den Herausforderungen. Ein Tipp der Architektin: die Technik sichtbar machen, Installation gebündelt und gerade führen, so werden Reparaturen sowie die Wiederverwendung einfacher.

Insgesamt lieferte der Tag einen bunten Strauss an Beispielen, Hilfsmitteln, Lösungsansätzen die zum Teil schon seit vielen Jahren zugänglich sind. «Wie und wo beginnen?» wurde beantwortet, nämlich mit dem ersten Gedanken ans Bauen. Und dieser sollen auch die Ausführenden von Anfang an mittragen können. Die Bauwirtschaft hat erste Schritte getan und ist unterwegs, jetzt heisst es: nicht einknicken.

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