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«Eine nachhaltige Welt aktiv mitgestalten»

13.02.2025 Maria Franco Mosquera forscht an der BFH-TI zum Thema Kreislaufwirtschaft und unterrichtet im Masterstudiengang Circular Innovation and Sustainability. Die Technologie spiele in der zirkulären Wirtschaft eine entscheidende Rolle, sagt die Assistenzprofessorin. Ihre Studierenden begleitet sie dabei, Kreislaufwirtschaft ganzheitlich zu betrachten und ihre Rolle in der Gesellschaft wahrzunehmen.

Frau Franco Mosquera, was verstehen Sie unter Kreislaufwirtschaft?

Kreislaufwirtschaft bezeichnet einen systemischen Ansatz zur Optimierung der Ressourcennutzung und zur Minimierung von Abfällen während des gesamten Produktelebenszyklus – mit dem Ziel der Nachhaltigkeit und der Regeneration der Natur. Jedes Unternehmen sollte bewusste Entscheidungen über das Design von Produkten, deren Materialien, Herstellung und Verwendung treffen – aber auch darüber, wie sie umgenutzt und am Ende ihres Lebenszyklus wiederaufbereitet werden können. Nachhaltigkeit umfasst drei Aspekte: Umwelt, Finanzen und Soziales. An der BFH-TI vermitteln wir nicht nur das Fachwissen zu den Produkten, Technologien und Prozessen, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Wir möchten auch die Perspektive der Studierenden generell erweitern: Jede Entscheidung muss im gesellschaftlichen Kontext Sinn machen.

Maria Franco Mosquera forscht an der BFH-TI zum Thema Kreislaufwirtschaft
Maria Franco Mosquera inspiriert die Studierenden dazu, proaktive Führungskräfte zu werden, die langfristigen Werten den Vorrang vor kurzfristigem Gewinn geben.

Warum nimmt die Bedeutung der zirkulären Wirtschaft weiter zu?

Viele Unternehmen bekennen sich zunehmend zu Netto-Null-Zielen. Die Zirkularität ist ein Weg dorthin. Das Ziel der Kreislaufwirtschaft besteht darin, Abfälle zu minimieren und Ressourcen länger und effizienter zu verwenden. Sie fördert Innovationen, senkt Kosten, generiert neue Einnahmen und verbindet Rentabilität mit ökologischer Nachhaltigkeit. Wichtig dabei: Nur weil ein Produkt zirkuläre Eigenschaften aufweist, ist es nicht automatisch umweltverträglicher. Um die tatsächlichen Auswirkungen zu überprüfen, ist eine umfassende Lebenszyklusanalyse unerlässlich. Kreislaufwirtschaft erfordert die Kombination verschiedener Methoden.

Ist die Beschaffung der Materialien in der Schweiz besonders wichtig?

Ja. Zurzeit wird nur ein Zehntel des Materialbedarfs in der Schweiz durch inländische Gewinnung gedeckt: Fossile Brennstoffe und Metallerze werden zum Beispiel vollständig importiert. Wenn Unternehmen am Ende des Lebenszyklus eines Produkts Ressourcen daraus wieder in ihre Produktion einspeisen, sind sie weniger auf Importe angewiesen. Sie machen sich dadurch unabhängiger und resilienter: Unsere gesamte Wirtschaft wäre weniger anfällig für Störungen der globalen Lieferketten und für Preisschwankungen auf den internationalen Märkten. Die Unternehmen sollten also den genauen Zustand der Produkte und Materialien kennen. Hier kommt die Technologie ins Spiel: Im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen legen wir deshalb einen Schwerpunkt auf Datenbanken mit Produktpässen, damit Reparatur, Wiederverwendung und Verwertung zur Norm werden.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Im abgeschlossenen EU-Forschungsprojekt CIRCUSOL haben wir mit der Entwicklung einer Plattform und eines digitalen Produktpasses für PV-Module begonnen, um die Datenverwaltung und die Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Kreislaufstrategien in der Solarbranche zu verbessern. Dadurch stehen am Ende der Nutzung der Panels Informationen zu ihrem Aufenthaltsort und Zustand zur Verfügung.

Inwiefern ist das besser als sie zu recyceln?

Recycling macht am meisten Sinn, wenn die Qualität des Materials erhalten bleibt. Im Rahmen des Horizon 2020-Projekts RETRIEVE beschäftigen sich meine Kolleg*innen der BFH-TI intensiv mit Recyclingtechnologien in der Solarbranche. Einer der wichtigsten Rohstoffe in Solarpanels ist Silizium. Das mit heutigen Technologien zurückgewonnene Silizium ist aber nicht für den Solarbereich geeignet, da die Qualität zu gering ist. Die Frage ist also: Mit welchen Recycling-Technologien können wir die Qualität verbessern? Genau daran forschen wir.

Maria Franco Mosquera über die Vorteile der Kreislaufwirtschaft
Maria Franco Mosquera: «Kreislaufwirtschaft fördert Innovationen, senkt Kosten, generiert neue Einnahmen und verbindet Rentabilität mit ökologischer Nachhaltigkeit.» Fotos: Guy Perrenoud

Wie funktioniert der Product Circularity Compass, den Sie für Unternehmen entwickelt haben?

Oft wissen Unternehmen nicht, wo sie auf ihrem Weg zur Zirkularität beginnen sollen. Der Product Circularity Compass ist ein Werkzeug, der die Produkte nach ihrer Zirkularität bewertet – nicht die Unternehmen. Er führt durch eine Reihe von Fragen, zum Beispiel bezüglich der verwendeten Materialien und der Reparaturfähigkeit, aber auch der Beschaffung, Produktion und Logistik. Am Schluss liefert das Tool Empfehlungen, wie das Produkt zirkulärer werden kann. Es arbeitet mit konkreten, umsetzbaren Metriken und ist individuell auf die Branchen zugeschnitten. Das ist wichtig, weil je nach Produkt andere Kriterien im Vordergrund stehen – bei den einen Reparierbarkeit und Langlebigkeit, bei anderen Recyclingfähigkeit und biologische Abbaubarkeit. Dieser Nachhaltigkeitsrechner eröffnet uns weitere Möglichkeiten, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten und sie zu unterstützen. Das neue Circular Economy Lab (CE-Lab) der BFH-TI geht noch einen Schritt weiter.

Inwiefern?

Im CE-Lab begleiten wir Unternehmen auf ihrem Weg zur Kreislaufwirtschaft. Unser Team stellt Wissen, Werkzeuge und Technologien bereit, die Veränderungen vorantreiben. Es soll ein Ort sein, um technologie- und unternehmensbezogene Probleme zu erfassen und Ideen zu testen. Im Lab können Wirtschaftspartner*innen mit uns zusammenarbeiten, so dass wir voneinander profitieren. Zudem soll es ein Fenster zu unserer Forschung sein. So erfahren Unternehmen, an welchen Projekten wir arbeiten.

Welche weiteren Angebote zum Thema Kreislaufwirtschaft gibt es für Studierende an der BFH-TI?

Für Bachelor-Student*innen gibt es 2025 neu das Nachhaltigkeitszertifikat «Sustainability and Circularity». Es beinhaltet drei verschiedene Module: Nebst dem Erwerb von breitem Fachwissen (Sustainability Knowledge) haben sie die Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren (Sustainability Action) und sich an Veranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit mit Personen aus der Wirtschaft zu vernetzen (Sustainability Ecosystem). Die BFH bietet zudem den Master «Circular Innovation and Sustainability» an.

Was liegt Ihnen bei der Ausbildung besonders am Herzen?

Im Zentrum meiner Lehr- und Forschungstätigkeit steht ein umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit. Mein Ziel ist es, den Studierenden das technische Wissen, die Methoden und die Fähigkeit für kritisches Denken zu vermitteln. Sie sollen erkennen, wie sich die Entscheidungen der Konsument*innen und die Praktiken von Unternehmen in unserer vernetzten Welt auswirken. Diese Kompetenzen brauchen sie, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln und ethisch vertretbare Entscheidungen zu treffen. Letztlich möchte ich die Studierenden dazu inspirieren, proaktive Führungskräfte zu werden, die langfristigen Werten den Vorrang vor kurzfristigem Gewinn geben und so ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichem Wachstum, ökologischem Verantwortungsbewusstsein und sozialer Verantwortung schaffen.

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