• Story

Open Source Software: Mit mehr Flexibilität schrittweise raus aus dem «Vendor Lock-in»

11.04.2025 Durch Open-Source-Lösungen und offene Standards können Unternehmen den «Vendor Lock-in» reduzieren, souverän über ihre IT-Infrastruktur entscheiden und die Kontrolle über ihre Daten behalten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Open Source Software kann Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern verringern.

  • Die BFH hat Open-Source-Alternativen zu Microsoft-Produkten identifiziert.

  • Verwaltungen machen aktuell erste Schritte Richtung Open Source.

  • Die BFH bereitet Fachleute auf diese Entwicklung vor.

Die Open Source Studie Schweiz 2024 zeigt anhand zahlreicher Fachbeiträge und Praxisbeispiele, wie die Anbieterabhängigkeiten («Vendor Lock-in») reduziert werden können. Die Studie betont insbesondere die steigende Bedeutung von Open Source Software (OSS) für den öffentlichen Sektor. Dies hat unter anderem mit dem Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG) zu tun, das seit Anfang 2024 in Kraft ist. Das Gesetz verpflichtet die Bundesverwaltung mit wenigen Ausnahmen dazu, den Quellcode aller Software zu veröffentlichen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben entwickeln oder entwickeln lassen.

Neben der alle drei Jahre erscheinenden Open Source Studie Schweiz zeigt die Vergleichsplattform «OSS-Benchmark» auf ossbenchmark.com tagesaktuell und interaktiv die Bestenliste der Schweizer «Hidden Champions» für die Freigabe von quelloffener Software. Und im Open Source Verzeichnis OSS Directory können Firmen gefunden werden, die kompetente Dienstleistungen rund um OSS anbieten. Auch als Erfolgsbeispiel gilt das «Open Source Program Office» (OSPO) des CERN, das damit eine interne Stelle geschaffen hat, welche die technischen, organisatorischen und rechtlichen Fragen rund um OSS klärt.

Freie Alternativen zu proprietären Produkten

Zurück zum Bund: Das Projekt Cloud Enabling Büroautomation der Bundesverwaltung führt die Cloud-Version der Microsoft-Dienste als neuen Standard ein. Um dennoch einen Ausweg aus diesem proprietären Pfad zu finden, hat das BFH-Institut Public Sector Transformation vom Bereich Digitale Transformation und IKT-Steuerung (DTI) der Bundeskanzlei den Auftrag erhalten, Open-Source-Alternativen zu den Microsoft-Produkten aufzuzeigen.

Das Ergebnis: Für nahezu den gesamten Softwarebestand, eingeteilt in über fünfzig Services, konnten etablierte Open-Source-Lösungen als Alternativen identifiziert und dokumentiert werden.

Unsere Empfehlungen für Organisationen

  1. Überblick über eingesetzte Software und deren Kosten verschaffen: Organisationen sollten ein Inventar der von ihnen eingesetzten Softwarebibliotheken und -lösungen besitzen und vollständige Transparenz der wiederkehrenden Lizenzkosten herstellen.
  2. Open Source Software als alternative Lösungen explizit prüfen: Beschaffungskonzepte sollten so aufgebaut sein, dass Open Source Software als echte Alternative in Betracht gezogen werden kann.
  3. Kompetenzen aufbauen und bündeln: Organisationen sollten intern Verantwortlichkeiten hinsichtlich des Umgangs mit Open Source definieren und ein eigenes, leichtgewichtiges «Open Source Program Office» (OSPO) etablieren.

Dass die Existenz von valablen Alternativen einen entscheidenden Unterschied macht, sollte spätestens seit dem 6. November 2023 mit dem Urteil BGE 150 II 105 des Bundesgerichts klar geworden sein: Der Kanton Waadt hatte den Auftrag für eine IT-Applikation des Strassenverkehrsamts freihändig an einen Anbieter vergeben, worauf eine Konkurrentin Einspruch erhob. Das Bundesgericht entschied, dass es Sache der Vergabestelle gewesen wäre, gleichwertige Alternativen ausfindig zu machen – und nicht wie anhin die Aufgabe der beschwerdeführenden Konkurrentin.

Diese Umkehr der Beweislast ist ein wichtiger Schritt weg von der bisherigen Praxis, die allzu oft den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist und Verträge mit dem bisherigen Lieferanten verlängert hat.

Lösungen für den Alltag

In der Bundesverwaltung bewegt sich noch mehr: Das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) will bald ein Pilotprojekt mit openDesk starten, eines in Deutschland entwickelten Open-Source-Behördenarbeitsplatzes als Alternative zu Microsoft 365. Zudem hat im Herbst 2024 der Bereich DTI bezüglich Umsetzung des oben genannten EMBAG umfassende Hilfsmittel zur Freigabe von OSS durch Bundesstellen veröffentlicht.

Grundlage hierfür stellen die 2018 initiierten Open-Source-Aktivitäten des Kantons Berns mit ihren umfangreichen Checklisten, Leitfäden und Vorlagen dar. Diese Praxiserfahrungen sind wichtig, wenn Bundesstellen im Zuge von EMBAG Artikel 9 vermehrt Software unter einer offenen Lizenz veröffentlichen.

Mehr zum Thema Open Source

Open Source an der BFH: Diese Website ist Treff- und Ausgangspunkt für die Community of Practice der BFH zum Themenspektrum Open Source. So werden an der BFH u.a. Nextcloud für den Datenaustausch und LimeSurvey für Umfragen zur Verfügung gestellt.

Förderverein CH Open: Die Geschäftsstelle des Open Source-Fördervereins CH Open ist an der BFH angesiedelt und führt zahlreiche Aktivitäten durch. Dazu gehören die Open Source AI Workshops im Mai 2025 oder der Open Education Day (in Kollaboration mit der PHBern) im Mai 2025. Auch das internationale OSS Directory wird an der BFH entwickelt.

Ein Vorzeigeprojekt auf kantonaler Ebene ist in dieser Hinsicht die inosca-Community, eine interkantonale Gemeinschaft für Software-Entwicklung («inosca» steht für «Innovation Open Source Canton»). Diese kantonale Open-Source-Lösung für elektronische Baugesuchsverfahren zeigt, dass die Freigabe Open Source Software und die Zusammenarbeit in Communities bereits heute gewinnbringend und pragmatisch in der täglichen Arbeit gelebt wird. Welche Open-Source-Lösungen es für den Alltag gibt und was bei deren Nutzung beachtet werden sollte, wird an Kursen der BFH wie den CAS-Weiterbildungen und den Mirco Courses thematisiert.

Mehr erfahren